Tinnitus

 

 „In welchem Ohr klingelt’s?“ – „Links?“ – „Richtig geraten. Jetzt hast du einen Wunsch frei!“ Diese Situation ist aber auch schon das einzige Beispiel, wann das Klingeln im Ohr einen Vorteil bringt. Denn selbst kurze, vorübergehende Phantomgeräusche werden als irritierend erlebt. Umso schlimmer, wenn es sich um den sogenannten „Tinnitus“ handelt, also um die Wahrnehmung ständiger, andauernder Ohrgeräusche. Ob diese nun „echt“ (= messbar) sind, oder nicht.

 

Mehr als Ohrensausen

 

Es klingelt, es pfeift, es rattert, es zischt, es brummt, es rauscht, es knackt, es klopft. Durchgehend, aufflackernd, unerwartet oder gar rhythmisch. Und das in jeder möglichen Lautstärke. Solange der Ton gleichbleibend ist und im Hintergrund bleibt, kann er noch ignoriert werden. In schwereren Fällen musss konsequent, etwa mit autogenem Training, angesetzt werden. Ist es ganz schlimm und sind die Ohrgeräusche so stark, dass sie alles andere übertönen, sprechen die Fachleute von „Dekompensation“. Dies bedeutet, dass die Symptome nicht mehr ausgeglichen werden können. Dann bestimmt der Tinnitus das Leben und macht es unerträglich. Patienten, deren Lebensqualität derart beeinträchtig ist, sind arbeitsunfähig, sie leiden unter Schlafstörungen und Depressionen.

 

Eine Fata Morgana des Gehirns?

 

Woher kommt das Phantomgeräusch?

Tatsächlich ist ein Tinnitus meistens völlig unabhängig von äußeren Geräuschquellen. Allerdings ist das Ohrgeräusch nicht unabhängig von der äußeren Situation. Stress gilt nämlich als einer der häufigsten Auslöser für dieses Leiden.

Ärzte unterscheiden zwischen objektivem und subjektivem Tinnitus.

 

Der objektive Tinnitus

 

Beim objektiven Tinnitus liegt die Ursache für die Hörgeräusche an einer Erkrankung im Innenohr oder an Anomalien im Gehörgang. Wenn es sich um Aussackungen der Blutgefäße handelt, wird das Strömen des Blutes als pulsierendes Rauschen wahrgenommen. Muskelzuckungen werden hingegen in Form von Tick-Geräuschen erlebt. Was den objektiven Tinnitus jedoch immer definiert, ist, dass diese Töne physikalisch messbar, auch mit dem Stethoskop zu hören sind. Entsprechend gezielt sind sie dann meist auch zu behandeln.

Das war die gute Nachricht. Die schlechte: Der objektive Tinnitus kommt nur selten vor.

 

 

Der subjektive Tinnitus

 

Diese Form des Tinnitus ist völlig unabhängig von realen Geräuschquellen. Der Ton entsteht im Nervenzentrum des Gehirns und ist von außen unbeeinflussbar. Selbst bei Tumorpatienten, deren Gehörnerv operativ entfernt wurde, bleibt er bestehen. Es handelt sich jedoch keinesfalls um Einbildung! Oft sind die Ohrgeräusche ein Warnsignal für einen drohenden oder bereits bestehenden Burnout.

 

Die Ursachen

 

Eine der häufigsten Ursachen für Tinnitus ist Stress. Aber das Summen im Ohr kann viele verschiedene Ursachen haben. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthockdruck, Diabetes, Störungen der Schilddrüse, Morbus Menière (Drehschwindelkrankheit), Funktionsstörungen der Halswirbelsäule, Kiefer- oder Zahnprobleme, eine Tumorerkrankung. Er kann die Folge übermäßiger Lärmbelästigung sein (Rockkonzerte!), oder nach einen Tauchunfall oder einem Knalltrauma zurückbleiben. Er kann einen Hörsturz begleiten oder im Zusammenhang mit dem plötzlichen Absetzen von Medikamenten (oder als deren Nebenwirkung) in Erscheinung treten. Emotionale Belastungen, hormonelle Umstellungen und Alkoholmissbrauch begünstigen das Symptom.

 

Akut oder chronisch

 

Es gibt keinen Grund, beim Einsetzen des berühmten Klingelns im Ohr sofort die Rettung zu rufen. Hält das Ohrgeräusch längere Zeit an, sollte man allerdings nicht zögern, sich mit einer HNO-Ambulanz in Verbindung setzen. Je früher dem Symptom zu Leibe gerückt wird, umso besser. Ein chronischer Tinnitus – ab einer Dauer von drei Monaten – ist nur noch schwer zu behandeln. Unmöglich ist es aber nicht. In den meisten Fällen ist zumindest eine Linderung der belastenden Symptome möglich. Die Hoffnung ist keinesfalls aufzugeben. Hilfreich ist auf jeden Fall ein Überdenken – und gegebenenfalls ein Neuordnen der Lebenssituation. Gönnen Sie sich Ruhe, sorgen Sie für Entspannung! Manchmal verschwindet das Pfeifen dann auch so plötzlich wie es gekommen ist.

 

Elisabeth Freundlinger